Improvisation zur Marktzeit – eine Art Zwischenbericht

An allen Samstagen im Mai und Juni gab es die „Die Improvisation zur Marktzeit“. Um elf Uhr fanden wir uns auf dem Edmund Erlemann-Platz ein und mit dem Glockenschlag der Citykirche begann unsere tänzerische Intervention. Wir improvisierten zu Impulsen, die wir uns ausdachten. Es waren Bewegungsaufgaben, die uns Orientierung boten und zu Titeln unserer improvisierten Tanzstücke wurden.
Die „Improvisation zur Marktzeit“ wurde zu einem Ritual für uns selbst und auch für andere. Wir haben beobachtet, dass Mitarbeitende des Marktes Anteil nahmen und z.B. ihre Pausen bei uns verbrachten. Eine wohnungslose Person, die uns nach zwei Malen schon zu erwarten schien. Freund*innen, die ihre Besorgungen zeitlich so legten, dass sie uns besuchen konnten.
Manches Mal haben wir im Anschluss mit Menschen geplaudert. Über Tanz, Kunst im öffentlichen Raum, das Erkennen des Bewegungsimpulses, Mönchengladbach, das Leben und die Freude.
Und es haben sich zarte Bande des Anteilnehmens geknüpft. Und sei es nur das Grüßen beim Aneinander-Vorbeigehen, wenn wir uns nun irgendwo in dieser Stadt begegnen.
Jede dieser Begegnungen wäre es wert, erwähnt zu werden. sie sind eigene Geschichten.
Und ich erzähle jetzt zwei davon.

An einem dieser Samstage, es war der nach „Christi Himmelfahrt“, ergab es sich, dass ich (Anja) allein improvisierte. Bei strahlendem Sonnenschein machte ich mich auf den Weg zum Edmund Erlemann-Platz. Und allmählich wurde mir klar, dass die Borussia Mönchengladbach an diesem Tag ein Heimspiel haben würde. Ausgerechnet. Ich hatte ein kleines Köfferchen dabei, in dem sich zehn kleine Fächer befanden, mit denen ich improvisieren wollte. Da stand ich also. In schwarz gekleidet, zwei rote Punkte am Revers, ein rotes Köfferchen, weiß bepunktet, darin wiederum bepunktete Fächer und um mich herum sehr viele in schwarz-weiß-grün gekleidete Personen. Ich kann kaum beschreiben was in mir vorging. Mulmig war es mir zumute. Aber einen Rückzieher machen – auf gar keinen Fall!
Ich hatte ein großes Publikum. Ungeplant. Völlig überraschend. Für uns alle.
War das nicht genau das, was ich wollte? Was ich so schön im Förderantrag zu Papier gebracht hatte?
Na dann…
Die Glocken schlugen elf und ich begann, mich zu bewegen. Am Ende gab es vereinzelt Applaus. Die meisten waren mit sich selbst beschäftigt. Und das war vollkommen okay.
Ich habs durchgezogen. Zehn Minuten lang. Ich hab mich selbst humorvoll ernst genommen, mit all meinen Unsicherheiten und all meinem Mut. Und mit Freude.

Am 29.06. war das letzte Mal vor der Sommerpause. Wir haben eine Person vermisst, die von Beginn an zuschauend dabei war. Eine wohnungslose Person, die sich oft dort an der City-Kirche aufhält. Diese Person hat uns auf eine höfliche und zurückhaltende Art ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Und es schien in den Wochen so, als ob sie uns bereits erwarten würde. Am 29. Juni war sie nicht dort.
Aber ich traf sie später im Stadtgetümmel. Sie kam auf mich zu und ich konnte das Wiedererkennen in ihren Augen sehen. Und noch etwas, das ich als Unsicherheit interpretierte. Ich grüßte spontan. Und die Person grüßte zurück.
Das war etwas Neues für mich. ich bin sonst sehr unsicher im Kontakt mit wohnungslosen Personen. In diesem Moment war ich es nicht, weil wir uns ja kannten. Irgendwie. Irgendwie natürlich auch nicht. Aber wir haben etwas miteinander geteilt. Und das wurde mir im Nachgang bewusst.

Wir machen nun eine Sommerpause. Aber wir wollen weitermachen.

Wenn Du mitmachen möchtest, schreib eine Email an 200tagetanzstadt@web.de oder komm einfach dazu – wir werden die neuen Termine hier mitteilen. Du kannst die Aktion natürlich auch ohne uns weiter führen 🙂
Tänzerische Vorkenntnisse sind überhaupt und gar nicht notwendig.
Hier geht es zu einem Erklärvideo: IMPROVISATION ZUR MARKTZEIT

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